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Mehrsprachige Praktiken von Kindern und Fachpersonen in Spielgruppen – Erkundung eines Praxisfeldes

Spielgruppen sollen in der Deutschschweiz die Integration und den Deutscherwerb zwei- bis vierjähriger Kinder schon vor dem Schuleintritt fördern. Ist das unter den gegebenen Bedingungen realistisch?


Foto: Projekt FSE-Spielgruppen, Forschungsbereich «Frühe Sprachbildung» PHTG

Ein Beitrag von Dieter Isler, Pädagogische Hochschule Thurgau PHTG


Der Besuch von qualitativ guten Spielgruppen kann sich nachweislich positiv auf den Erwerb sprachlicher Fähigkeiten auswirken (Grob/Keller/Trösch, 2014), und bessere sprachliche Eingangsleistungen begünstigen das sprachliche Lernen während der gesamten Schulzeit (Angelone/Keller/Moser, 2013). Über die konkrete Ausgestaltung sprachlicher Bildungsprozesse in Spielgruppen ist allerdings noch wenig bekannt.

 

Das Projekt MePraS

Mit dem Projekt «Mehrsprachige Praktiken von Kindern und Fachpersonen in Spielgruppen» sollte ein genaueres Verständnis sprachlicher Bildungsprozesse in Spielgruppen erarbeitet werden. Im Sinne einer fokussierten Ethnografie wurde in drei Spielgruppen der kommunikative Alltag untersucht. In jeder Spielgruppe wurden zu Beginn und am Ende des Spielgruppenjahres die Fachperson und ein ausgewähltes mehrsprachiges Kind während jeweils eines Vormittags gefilmt. Ausgewählte Videosequenzen wurden sequenzanalytisch ausgewertet und die Sprachproduktionen der Kinder linguistisch analysiert.

 

Ergebnisse: Mehrsprachigkeit wird kaum als Ressource genutzt

In den untersuchten Spielgruppen finden sich gemeinsame Elemente wie Spiel, Kreisaktivitäten, Znüni oder Geschichtenerzählen. Diese «kommunikativen Formen» (Künzli/Isler, 2018) werden allerdings ganz unterschiedlich ausgestaltet und verweisen auf stark voneinander abweichende Grundverständnisse von früher Bildung und Sprachbildung. Mehrsprachigkeit wird in keiner der Spielgruppen gezielt sichtbar gemacht und als Ressource genutzt. Die untersuchten mehrsprachigen Kinder profitieren aber bei ihrem sprachlichen Lernen von der Offenheit der Fachpersonen für ihre Erstsprachen, vom Spiel mit befreundeten Peers und von der zugeschnittenen Anregung und Unterstützung durch die Fachpersonen bei anspruchsvollen kommunikativen Aufgaben.

 

Rahmenbedingungen verbessern, um die sprachliche Bildung in Spielgruppen zu stärken

Die Ergebnisse verweisen auf die prekären Bedingungen des Spielgruppenfeldes, die im Hinblick auf die hohen gesellschaftlichen Erwartungen dringend verbessert werden müssen. Notwendig wären u.a. folgende Massnahmen: die grundsätzliche Klärung der Rolle von Spielgruppen im Bildungssystem, ein grösseres Engagement der öffentlichen Hand (Regulierung, Finanzierung, Professionalisierung) und eine möglichst inklusive Organisation der vorschulischen Deutschförderung.

 

Referenzen

  • Angelone, Domenico; Keller, Florian; Moser, Urs (2013). Entwicklung schulischer Leistungen während der obligatorischen Schulzeit. Bericht zur vierten Zürcher Lernstandserhebung. Zürich: Bildungsdirektion Kanton Zürich.

  • Grob, Alexander; Keller, Karin; Trösch, Larissa M. (2014). Zweit-Sprache. Mit ausreichenden Deutschkenntnissen in den Kindergarten. Wissenschaftlicher Abschlussbericht. Basel: Universität Basel.

  • Künzli, Sibylle; Isler, Dieter (2018).Kommunikative Formen im Feld des Kindergartens. Die Bedeutung von schweigendem Wissen beim Übergang vom Kindergarten in die erste Klasse der Primarstufe. In Karin Fasseing et al. (Hrsg.), Übergänge in der frühen Kindheit, S. 27–48. Münster: Waxmann.

 

Link (open access)

  • Isler, Dieter (Hrsg.) (2024). Frühe Sprachbildung in pädagogischen Einrichtungen. Am Beispiel mehrsprachiger Kinder in Deutschschweizer Spielgruppen (1. Auflage). Beltz Juventa. doi.org/10.57668/phtg-000480


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