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Parlament: Rückblick auf die Herbstsession 2022

In der Herbstsession vom 12. bis 30. September 2022 behandelten die eidgenössischen Räte einige Geschäfte, die die Bildung, Betreuung, Erziehung sowie die Gesundheit und die Rechte von Kindern in der Schweiz betreffen. Darunter insbesondere die Verlängerung der Anschubfinanzierung für Kindertagesstätten und die Annahme der Pa.Iv. "Armut ist kein Verbrechen" durch den Nationalrat.


Foto: Parlamentsdienste, Bern | parlament.ch

Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat die Parlamentarische Initiative «Verlängerung der Bundesbeiträge an die familienergänzende Kinderbetreuung bis Ende des Jahres 2024» (22.403) gutgeheissen. Damit werden die Finanzhilfen verlängert bis das neue Gesetz, das derzeit im Rahmen der parlamentarischen Initiative 21.403 ausgearbeitet wird, in Kraft tritt (vgl. News, 14.09.2022).


Abgelehnt hat der Ständerat die Motion 19.4107 von Rosmarie Quadranti (BDP/ZH) (übernommen von Lorenz Hess (Die Mitte/BE)), die eine tarifarische Abgeltung der Umnutzung von medizinischen Instrumenten und Materialien für Kinder und Jugendliche erreichen wollte. Hingegen hat er die Motion 19.4134 von Verena Herzog (SVP/TG), die eine Stärkung der Kinder- und Jugendmedizin fordert, angenommen. Somit muss der Bund nun periodisch eine spezifische Versorgungsforschung im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin in Auftrag geben und periodisch Bericht erstatten über die Entwicklung des Versorgungsstandes in der Kinder- und Jugendmedizin.


Der Ständerat hat zudem die Motion 22.3355 von Matthias Michel (FDP/ZG) "Strafrechtliches Verbot von geschlechtsverändernden Eingriffen an Kindern mit einer angeborenen Variation der Geschlechtsmerkmale (Intergeschlechtlichkeit)" der zuständigen Rechtskommission zur Vorberatung zugewiesen. Die Motion 20.3374 von Niklaus-Samuel Gugger (Die Mitte/ZH) "Unter-16-Jährige wirksam vor pornografischen Inhalten auf dem Internet schützen. #banporn4kids#" kam hingegen in der Herbstsession nicht mehr zur Beratung.


Der Kanton Tessin forderte mit einer Standesinitiative (20.322) die Verlängerung des Kündigungsschutzes nach der Niederkunft auf 12 Monate. Nach dem Ständerat hat nun aber auch der Nationalrat dem Geschäft keine Folge gegeben, womit die Standesinitiative erledigt ist. Ebenfalls erledigt ist Mathias Reynards (SP/VS) (Geschäft übernommen von Samuel Bandahan (SP/VD)) Motion 20.4139, mit der er die Situation von Praktikantinnen und Praktikanten besser regeln wollte. Dies ist wäre für den Bereich der familien- und schulergänzenden Betreuung dringend angezeigt gewesen (vgl. unsere News vom 14.01.2022). Ein bedauerlicher Entscheid des Nationalrats.


Besonders erfreut ist Alliance Enfance, dass der Nationalrat der Pa.Iv. 20.451 von Samira Marti (SP/BL) "Armut ist kein Verbrechen" zugestimmt hat. Die Initiative fordert, dass ausländische Personen, die seit zehn Jahren in der Schweiz leben und plötzlich auf Sozialhilfe angewiesen sind, nicht mehr des Landes verwiesen werden können. Sie trägt damit dazu bei, dass das Kinderrecht auf soziale Sicherheit auch für Kinder mit ausländischen Elternteilen gewährleistet wird (vgl. News vom Netzwerk Kinderrechte Schweiz, 30.08.2022). Alliance Enfance setzte sich in einem gemeinsamen Schreiben mit dem Netzwerk Kinderrechte für die Pa.Iv. ein. Nun muss ihr noch der Ständerat zustimmen (vgl. News, 21.09.2022). In diesem Zusammenhang positiv zu erwähnen ist auch die Überweisung des Postulats 20.4421 von Samira Marti (SP/BL) "Kindeswohl im Asyl- und Ausländerrecht" an den Bundesrat. Dieser ist damit beauftragt, einen Bericht zu erarbeiten, der analysieren soll, inwiefern das Kindeswohl im Asyl- und Ausländerrecht gewährleistet wird und ob Handlungsbedarf besteht.


Das Bundesratsgeschäft 20.069 "Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele. Bundesgesetz" wurde in der Herbstsession sowohl vom National- als auch vom Ständerat behandelt (vgl. Empfehlungen von Pro Juventute). Damit will der Bundesrat Minderjährige besser vor ungeeigneten Medieninhalten schützen, die ihre körperliche, geistige, psychische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden könnten. Ursprünglich hatte sich der Nationalrat mit zusätzlichen Bestimmungen für einen noch umfassenderen Jugendschutz eingesetzt – beispielsweise durch die Förderung der Medienkompetenzen, den Einbezug von Expert*innen und die Regulierung von Mikrotransaktionen. Der Ständerat hatte als Zweitrat der Vorlage zwar zugestimmt, strich aber drei für den Jugendschutz zentrale Punkte aus dem Gesetz. Nach mehreren Runden einigten sich beide Räte schlussendlich auf eine Gesetzesvorlage. Der Ständerat ging dabei einzig auf die nationalrätliche Forderung bei der Förderung der Medienkompetenz ein. Im finalen Gesetz fehlen hingegen die Regulierungen zu Mikrotransaktionen und den ständigen Expert*innen-Einbezug in der Erarbeitung von Regulierungen, was mehrere Fachorganisationen kritisierten. Die Verordnung wird voraussichtlich im Sommer 2023 in die Vernehmlassung gehen.


Im Nationalrat traktandiert, aber noch nicht behandelt wurde die Pa.Iv. 21.413 von Fabien Fivaz (GPS/NE), die die Anpassung des Beschäftigungsgrads für Eltern nach Geburt oder Adoption erleichtern möchte.


Ausblick auf das 4. Quartal 2022 in den Kommissionen

Das kommende Quartal weist aus Sicht der Politik der frühen Kindheit einige relevante Geschäfte in den Kommissionsprogrammen aus. Die ständerätliche Bildungskommission WBK-S (Sitzungsplanung) wird über Tagesschulen diskutieren (Pa.Iv. 21.412 Florence Brenzikofer (Grüne/BL) "Von Tagesstrukturen zu Tagesschulen") sowie einen Bericht zur überwiesenen Motion von alt Nationalrat Christoph Eymann (LDP/BS) zur frühen Sprachförderung vor dem Kindergarteneintritt präsentiert erhalten (vgl. News, 05.07.2022). Die nationalrätliche Bildungskommission WBK-N (Sitzungsplanung) wird über die Vernehmlassungsergebnisse ihrer parlamentarischen Initiative zur Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung informiert und die Vorlage zu Händen des Rates bereinigen. Ziel sei, dass diese bereits in der Frühjahrssession 2023 im Nationalrat behandelt werden kann (vgl. News, 23.09.2022). Auch die sistierte Parlamentarische Initiative 17.412 von Matthias Aebischer (SP/BE) zur "Chancengerechtigkeit vor dem Kindergartenalter", der Bericht zur frühen Sprachförderung und die Pa. Iv. 204.54 von Valérie Piller Carrard (SP/FR) zur Bekämpfung der Kinderarmut sind in der WBK-N traktandiert.


In der ständerätlichen Rechtskommission RK-S wird eventuell der Bericht zum Postulat 20.3185 Christine Bulliard-Marbach (Die Mitte/FR) "Schutz von Kindern vor Gewalt in der Erziehung" präsentiert und auch die Motion 19.4632 "Gewaltfreie Erziehung im ZGB verankern" ist traktandiert (Sitzungsplanung). Das gemeinsame Engagement von Alliance Enfance, Kinderschutz Schweiz und Netzwerk Kinderrechte wird also weitergehen (vgl. News, 01.10.2021 und Brief an die RK-S, Februar 2022).

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